Analyse
Was Herford stark macht - und welche Veränderungen uns erwarten
Das Stadtentwicklungsprogramm „Herford 2030“ blickt über ein Jahrzehnt in die Zukunft. Welche Themen in dieser Zeit von besonderer Bedeutung sein werden, hängt auch davon ab, wo die Stadt Herford heute steht. Die folgende, kurz gefasste Analyse beleuchtet einige der näher betrachteten Themenfelder vor der Fragestellung: Worauf können wir aufbauen? Woran müssen wir arbeiten?
Kulturelles Erbe: Die Geschichte der Stadt
Die Stadt Herford blickt auf ein reiches kulturelles Erbe zurück, eine historische Vergangenheit, die sich heute noch unter anderem an den zahlreichen denkmalgeschützten Gebäuden im Stadtgebiet ablesen lässt. Insgesamt ist ein Großteil des Gebäudebestandes vor 1970 entstanden, sodass Sanierung und Modernisierung wichtige Themen sind – bei Wohngebäuden ebenso wie bei einigen Kultur- und Bildungseinrichtungen. Drei Kasernenstandorte und mehrere Wohngebiete der bis 2015 ansässigen britischen Streitkräfte sind Chance und Herausforderung zugleich, hier neue Angebote für Bildung und Dienstleistung, zukünftige Bewohnerinnen und Bewohner, Kulturschaffende und andere zu entwickeln.
Die Herforder Innenstadt
In der Innenstadt geht die Fragestellung weit über den Umgang mit dem historischen Erbe hinaus. Dessen angemessene Inszenierung kann positiv zur kulturellen und touristischen Entwicklung sowie zur Identitätsstiftung der Hansestadt beitragen. Der im vergangenen Jahrhundert die Innenstadt tragende Handel muss sich jedoch damit auseinandersetzen, dass Handel an Ortsgebundenheit verliert. Derzeit verfügt der Herforder Einzelhandel über eine gute Angebotssituation, die durch wettbewerbsfähige, leistungsstarke, auch örtliche Anbieter geprägt ist. Geplante neue innerstädtische Einzelhandelsprojekte mit hohen Investitionssummen wie zum Beispiel das Areal des ehemaligen Kaufhofs, ermöglichen eine Erweiterung des Angebots und führen zu einer Aufwertung der Innenstadt.[1] Dies ist auch im Wettbewerb mit dem Oberzentrum Bielefeld von Bedeutung. Doch der stationäre Einzelhandel braucht weiter Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft an diese Entwicklungen. Die Innenstadt wird zunehmend wieder ein Ort der Begegnung. Gastronomie, öffentliche und halböffentliche Einrichtungen, die gute Gestaltung von Plätzen und Grünanlagen sind die Themen, die für eine starke Innenstadt von Bedeutung sind.
[1] Vgl. Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept („Masterplan“) Innenstadt, 2012
Siedlungsgefüge
Auch jenseits der Innenstadt zeichnet sich Herford durch ein kompaktes Siedlungsgefüge mit nur wenigen Siedlungskernen im Außenbereich aus und kann als „Stadt der kurzen Wege“ gesehen werden. Dennoch gilt es, insbesondere aufgrund des demographischen Wandels und den damit verbundenen Auswirkungen in der Siedlungsstruktur lebenswerte Nachbarschaften sowie Versorgungs- und soziale Infrastrukturen auch dezentral aufrecht zu erhalten. Eine wohnortnahe Versorgung ist in der Herforder Kernstadt (noch) flächendeckend gegeben.
Bevölkerungsentwicklung
Die Entwicklung einer Stadt muss sich an ihrer Bevölkerungsstruktur orientieren und auf deren Änderung auch flexibel reagieren können. Die aktuelle Vorausberechnung der Bevölkerungsentwicklung[1] zeigt unter anderem, dass insbesondere der Anteil der älteren und hochaltrigen Menschen an der Bevölkerung stark zunehmen wird. Der Anteil der Kinder wird sich in Herford in der nächsten Zeit gegen den Trend stabil entwickeln. Die natürliche Bevölkerungsentwicklung weist langfristig zwar einen negativen Saldo aus Geburten und Sterbefällen auf, es ist aber davon auszugehen, dass sich das in den letzten Jahren zu beobachtende Bevölkerungswachstum in den nächsten zwei Jahrzehnten durch Zuzüge von außerhalb fortsetzen wird.
[1] Vgl. Ratsvorlage RA/113/2017
Sozialstruktur
In Bezug auf die Sozialstruktur lässt sich ablesen, dass Herford als Mittelstadt in Bezug auf die Armutsbelastung eher großstädtische Problemlagen aufweist, wie z.B. eine relativ hohe Arbeitslosigkeit, Mindestsicherungs-, SGBII-Bezugs- und Überschuldungsquote.[1] Dabei unterscheiden sich die Lebensbedingungen und Teilhabemöglichkeiten je nach Bezirk und Quartier, was eine spezifische, zielgruppen- und problemangemessene Unterstützung erforderlich macht.
[1] Vgl. Sozialbericht für die Hansestadt Herford im Rahmen des Landesprojektes „NRW hält zusammen“, Ratsvorlage RA/81/2017
Wirtschaft
Die Herforder Wirtschaft, industriell geprägt und stark im produzierenden Gewerbe, baut auf einem guten Branchenmix auf. Beschäftigungsstarke Wirtschaftsbereiche sind die Textil- und Bekleidungsindustrie, die Gummi- und Kunststoffverarbeitung, der Maschinenbau, die Möbel(zuliefer)industrie, der Einzelhandel und die Lebensmittelindustrie. Die Zahl der Beschäftigten ist seit 2012 um etwa 5 Prozent gestiegen.[1] Mit Blick auf die heute nur durchschnittliche Ausbildungsquote sowie die geringe Zahl adäquater Ausbildungsplätze zeichnet sich jedoch ein potentieller Mangel an lokal verfügbaren Fachkräften ab. Auch Nachholbedarf beim Ausbau der digitalen Infrastruktur kann den Wirtschaftsstandort Herford langfristig beeinträchtigen.
[1] Vgl. Strukturbericht 2016 der Hansestadt Herford
Kulturelles Angebot
Das kulturelle Angebot in der Stadt wird – dem allgemeinen Trend folgend – zu einem immer wichtigeren Standortfaktor sowohl für die Bevölkerung als auch für Unternehmen. Gleichzeitig müssen sich Kultureinrichtungen auf zunehmende Qualitätsansprüche und eine hohe Serviceorientierung der Besucherinnen und Besucher sowie die Digitalisierung einstellen. Das Herforder Kulturangebot besitzt eine lange Tradition und ist breit aufgestellt. Die hohe individuelle Mobilität ermöglicht Herforder Einrichtungen einerseits die Erschließung neuer Nutzergruppen aus der Region, bietet aber auch das Risiko eines weiteren Rückgangs der bereits sinkenden Nutzerzahlen. Um diesem entgegenzusteuern, kann durch die Verknüpfung von Bildungs- und Kulturangeboten in Form von Begegnungs-, Lern- und Arbeitsorten ein breiteres Angebot für alle Zielgruppen entstehen und somit Synergien genutzt werden. Von besonderer Bedeutung sind Angebote für Kinder und Jugendliche, weil diese die Besucherinnen und Besucher von morgen sind.
Freizeit- und Sporteinrichtungen
In den Herforder Freizeit- und Sporteinrichtungen herrscht eine lebendige Sportvereinskultur. Zugleich sind in den letzten Jahren jedoch eine Abnahme des Organisationsgrades und ein demographischer Alterungsprozess in der Mitgliederstruktur zu beobachten[1]. Dies stellt u. a. neue Anforderungen an die Ausstattung öffentlicher Räume mit entsprechenden Sportangeboten und die Sportentwicklung allgemein. Die Herforder Natur- und Landschaftsräume verfügen über ein hohes Potenzial, das für die Naherholung und die Freizeitgestaltung genutzt werden kann. Im Rahmen der laufenden Sportentwicklungsplanung könnten bedarfsgerechte Angebote geschaffen und bestehende Einrichtungen weiterentwickelt werden.
[1] Vgl. Sportentwicklungs- und Sportstättenbedarfsplan: Modul Bestandsaufnahme der Sporthallennutzung; Sportausschuss-Vorlage SP/7/2018
Wohnungsmarkt
Der Herforder Wohnungsmarkt ist von seiner Struktur eher großstädtisch geprägt mit einem unterdurchschnittlichen Anteil von Wohnungen in Einfamilienhäusern und einem hohen Anteil von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern. Durch die eigene Wohnungsbaugesellschaft WWS Herford GmbH kann die Stadt selbst gerade im Segment des sozialen Wohnungsbaus auf die Bedarfe der Bevölkerungsgruppen reagieren, die sich nicht selbst am Wohnungsmarkt versorgen können.
Der bereits erwähnte Anstieg des Anteils der Hochaltrigen im Zuge des demographischen Wandels wirkt sich auch auf den Wohnungsmarkt aus. So steigt die Nachfrage nach kleinen, preisgünstigen Wohnungen für Seniorinnen und Senioren sowie nach neuen Wohnformen wie zum Beispiel betreutem Wohnen oder Mehrgenerationenkonzepten. In Herford fehlt jedoch ein Konzept zur Sicherung und Verortung entsprechender Angebote. Die sich generell verändernden Ansprüche an den Wohnraum (Flexibilität, barrierearme Gestaltung) können nicht immer ausreichend vom Bestand gedeckt werden. Das im Vergleich zu Bielefeld niedrige Mietniveau ist einerseits attraktiv für Mieter, andererseits aber unattraktiv für Investoren. Die Wohnungsbestände der städtischen Wohnungsbaugesellschaft (WWS) sind hoch ausgelastet, der Leerstand liegt dort derzeit lediglich bei einem Prozent. Bei einem anhaltend niedrigen Preisniveau drohen jedoch für den privaten Markt fehlende Investitionsanreize für Neubau und Sanierung. Bezüglich der Baulandentwicklung verfügt die Stadt Herford über eine ausreichende Zahl von Wohnbaupotenzialflächen bis zum Jahr 2020 in guten integrierten Lagen.[1] Dazu zählen neben potenziellen Neubauflächen auch die ehemaligen britischen Wohn- und Konversionsliegenschaften.
Durch gezielte Anpassungen der Infrastruktur wie zum Beispiel des Nahversorgungsangebots, des ÖPNV, der Bildung, der Kultur, der Erholung und der Freizeit lässt sich allgemein bereits eine sehr gute Versorgung erreichen.
[1] Vgl. Kommunales Handlungskonzept Wohnen 2030, SSR, Dortmund, 2014
Bildung und Familie
Bezüglich der Förderung von Bildung und Familie zeigt sich in Herford eine gute räumliche Verteilung und Erreichbarkeit von Kitas und Schulen. Darüber hinaus bestehen sowohl zentrale als auch dezentrale Angebote der Kinder- und Jugendarbeit. Aufgrund des positiven Entwicklungstrends bei den unter 6-jährigen besteht ein nicht unerheblicher Ausbaubedarf für Plätze in Kindertageseinrichtungen[1]. Mit der Kita-Ausbauplanung[2] sollen der Rechtsanspruch erfüllt und insgesamt gleiche Chancen im Bildungssystem und eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleistet werden.
[1] Vgl. KiTa-Bedarfsplanung; Jugendhilfeausschuss Vorlage JH/2/2018
[2] Vgl. Jugendhilfeausschuss Vorlage JH/18/2018
Gesundheit und Pflege
Im Rahmen des demographischen Wandels ist vor allem auch der Gesundheits- und Pflegebereich aufgrund des zunehmenden Pflegebedarfs gefordert. Dieser weist jedoch in den Außenbezirken wie zum Beispiel Eickum und Laar deutliche Defizite in der Infrastruktur auf. Stärken liegen hingegen in der aufsuchenden Beratungsstruktur.
Mobilität
Beim Thema Mobilität steht für viele Herforderinnen und Herforder das Auto an erster Stelle.
Zwar hat der Radverkehrsanteil in der Stadt Herford stark zugenommen und erreicht nunmehr einen Anteil von zwölf Prozent (im Vergleich zum Jahr 1991: 8 Prozent), dennoch ist jede zweite Fahrt mit dem Kfz kürzer als vier Kilometer und könnte in vielen Fällen mit dem Fahrrad übernommen werden.[1] Grund für die große Dominanz des Pkw sind unter anderem Lücken und fehlende Qualitäten im Fahrradnetz. Mit dem Ausbau des ÖPNV-Netzes und auch der Fernverbindungen ließe sich das Mobilitätsverhalten insgesamt umwelt- und stadtverträglicher gestalten.
[1] Haushaltsbefragung zum werktäglichen Verkehrsverhalten der Bevölkerung in Herford, Oktober 2011
Ökologie und Naherholung
Die beiden großen Fließgewässer innerhalb des Stadtgebietes, Werre und Aa, haben eine hohe stadtgeschichtliche und naturräumliche Bedeutung, sie prägen das Stadtbild von Herford allerdings in der Innenstadt eher weniger. Die Erlebbarkeit beider Fließgewässer ist nicht optimal, so haben die Werre und die Aa ein deutlich höheres Naherholungspotenzial. Durch die Wehranlagen ist auch die ökologische Qualität der Flüsse stark eingeschränkt. Darüber hinaus mangelt es an Wegeverbindungen zu den Naherholungsräumen und Freizeitzielen.